Dire Straits: Im goldenen Käfig – Mark Knopfler im großen Interview | Classic Rock (2024)

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Dire Straits: Im goldenen Käfig – Mark Knopfler im großen Interview | Classic Rock (1)

Und tatsächlich ist DOWN THE ROAD WHEREVER musikalisch vielseitig ge­­raten – auch wenn sich Knopfler großteils freilich auf vertrautem Terrain be­­wegt: Entspannter Songwriter-Rock (›Trapper Man‹) trifft auf Country-Folk (›Nobody’s Child‹), Blues-Rock (›Just A Boy/You’ll Never Walk Alone‹) und angejazzte Crooner-Stücke (›When You Leave‹). In den Texten geht’s zurück in die Kindheit oder in noch um einiges weiter zurückliegende Wildwest-Zeiten, da­­zu denkt Knopfler über das Alter nach und besingt seine Liebste.

Der schamlose, schwerfällige Protagonist im karibisch angehauchten ›Heavy Up‹ lässt einen indes an Donald Trump denken.
›One Song At A Time‹ reist zu den „Deptford Days“ zurück, zum Geburtsort der Dire Straits. Im Song finden sich folgende Zeilen: „The shyster takes a ringside seat/As they’re bringing them from the jail/And twenty thousand tickets/Sold online on premium sale.“

Eine Art Gefängnis, das war seine Band am Ende wohl tatsächlich für Knopfler. Gefangene des Ruhms. Der Sänger fühlt sich auch kreativ mehr und mehr eingeengt. Zwar ist die Tour zu ON EVERY STREET ab 1991 nicht so be­­gehrt wie die zu BROTHERS IN ARMS sechs Jahre vorher, teils sind die Venues nicht ausverkauft, dennoch läuft es erneut auf eine monumentale Konzertreise hinaus. Bill Flanagan schreibt damals in der GQ: „Die Welttour dauerte fast zwei Jahre, spielte Berge von Geld ein und brachte die Dire Straits zu Boden. Als die Tour zu Ende war, waren sowohl Knopflers Ehe als auch seine Band Vergangenheit.“

Tasächlich trennt er sich 1993 von seiner zweiten Frau Lourdes Salomone. Sein letztes Konzert mit den Dire Straits hat er da schon hinter sich: Es findet am 9. Oktober 1992 in Saragossa statt. Bis 1995 erscheinen noch die Live-Platten ON THE NIGHT (1993) und LIVE AT THE BBC (1995), die beide nicht an das definitive Konzert-Album der Band, ALCHEMY von 1984, heranreichen, neuen Studio-Output und Shows gibt es keine mehr. Mitte der 90er schließt der Sänger das Kapitel Dire Straits – ohne großes Aufhebens und wohl für immer. Sie seien, nun ja, einfach „zu groß“ geworden.

Dire Straits: Im goldenen Käfig – Mark Knopfler im großen Interview | Classic Rock (2)

Seitdem haben verschiedene Ex-Mitglieder vereinzelt zusammen Konzerte ge­­geben – 1999 etwa stehen Knopfler, Illsley, Clark und Fletcher bei Illsleys Hochzeit gemeinsam auf der Bühne –, zu einer offiziellen Reunion ist es bis heute nicht gekommen. Von der letzten Band-Besetzung haben Illsley und Fletcher jeweils mehrere Soloplatten herausgebracht, so erfolgreich wie ihr ehemaliger Sänger ist keiner von beiden.

Der startet seine Karriere nach den Dire Straits 1996 mit GOLDEN HEART. Vier Jahre später erscheint SAI­­LING TO PHILADELPHIA, auf dem Van Morrison und James Taylor als Gäste auftreten. DOWN THE ROAD WHEREVER ist das mittlerweile neunte Solowerk des 69-jährigen Briten, von Mai bis Juli 2019 wird er damit auf Deutschland-Tour unterwegs sein.
Natürlich gibt es auch ein Leben außerhalb der Musik. Was er da so macht, verrät Knopfler am Ende unseres Gesprächs, quasi in der Zugabe.

Außerdem erzählt er, was ihm Auszeichnungen bedeuten und wie er heute auf dem Laufenden bleibt, was neue Bands betrifft. Ob die denselben Ehrgeiz haben, wie seinerzeit die Dire Straits, das bezweifelt er bei vielen.

Im Video zu ›Good On You Son‹ fahren Sie mit dem Motorrad durch die Gegend. Ein Hobby?
(Knopfler beugt sich zur Seite und legt die flache Hand auf einen Motorradhelm, der neben ihm auf dem Schreibtisch steht) Ja, ist es. In der Stadt damit unterwegs zu sein, ist großartig, man spart so viel Zeit, denn London ist verrückt.

Werden Sie von Leuten auf der Straße erkannt?
Normalerweise nicht, wegen des Helms. Aber selbst wenn, dann ist das doch nett. Die Leute sind großartig, sie sind wundervoll, überall.

Wofür interessieren Sie sich neben der Musik? Sie sind Fußballfan, oder?
Ja, ich versuche auf dem Laufenden zu bleiben, was bei Newcastle United passiert. Daneben gibt’s noch einige kleinere Sachen. So besitze ich etwa ein halbes Dutzend Uhren, eine ganz kleine Sammlung, die mir sehr gefällt. Angefangen hat es mit der Omega Speedmaster, die ja auf dem Mond war, das führte mich weiter zu ihrer Vorgängerin, einer Lemania.

Tragen Sie die gerade?
Nein, das ist eine 69 Speedmaster. Man entwickelt mit der Zeit eine Liebe für diese Uhren, und sie sind gebraucht gar nicht so teuer. Zumindest waren sie das nicht, aktuell muss man, soviel ich weiß, wieder mehr dafür zahlen. Was mich auch interessiert, sind Bücher… Aber ja, das Motorradfahren ist großartig, es geht dabei auch um Freiheit. Gerade wenn man auf dem Land unterwegs ist. Natürlich musst du lernen, sicher unterwegs zu sein, zumindest soweit möglich, denn machen wir uns nichts vor: Es ist gefährlich. Aber zu­­gleich bringt es dir eine der wenigen Freiheiten, die heute noch übrig sind. Die Markierungen in der Straßenmitte interessieren auf dem Motorrad nicht, die einzige, die zählt, ist die, die quer über die Straße geht und sagt: Stopp!

Die Dire Straits sind dieses Jahr in die Rock And Roll Hall Of Fame aufgenommen worden. Bedeutet Ih­­nen diese Art von Auszeichnungen etwas?
Ja, das ist schön, diese Awards zu bekommen. Es ist okay. Großartig. Eine schöne Anerkennung und auch eine gute Sache für die Fans, die solche Dinge mögen. Natürlich freuen sie sich, wenn ein Album Platin erreicht, denn wenn du eine Platte magst, dann willst du auch, dass sie erfolgreich ist. Mich hat das aber nie groß gekümmert, denn ob sich ein Album gut verkauft, darüber hast du ja ohnehin keine Kontrolle. Wird ein Film ein Hit oder nicht? Niemand weiß das. Jedenfalls habe ich nie etwas nur des Geldes wegen getan. Es ist sowieso verrückt: Massenweise Leute nehmen Platten auf, schreiben Theaterstücke, machen Filme, schreiben Bücher, konzipieren Ballette und Opern. Interviews dienen heute ja vor allem dazu, zu sagen: Schaut her, auch ich habe hier ein paar Songs. Die Größe des allgemeinen Outputs ist beängstigend.

Sind Sie auf dem Laufenden, was neue Musik betrifft?
Nun, ich versuche es. Spotify ist dafür sehr nützlich. Ich höre dort unglaublich viel Zeug.

Ach, auch neue Sachen?
Die ganze Zeit, ja.

Jemand, den Sie besonders mögen?
Eine Menge, viel zu viele. Es gibt so viel Talent, aber jedes Mal, wenn man je­­mand Neuen findet, führt das zu zehn weiteren Sachen. Beängstigend, wie viele Kids da draußen unterwegs sind. Man lernt aber auch nie aus, was etablierte Musiker betrifft, in meinem Fall etwa aus dem Jazzbereich. Dennoch stechen auch heute noch einzelne Künstler heraus, das wird immer so sein. Und ich bin überzeugt, dass jeder seine Chance bekommt, so war es im­­mer. Wenn du irgendwo in einem kleinen Club spielst, dann weiß das Publikum etwas über dich, das verbreitet sich, und beim nächsten Mal werden doppelt oder dreimal so viele Leute da sein, sie bringen Freunde mit und irgendwann steht eine Schlange bis auf die Straße raus. Das passiert ziemlich schnell. Nichtsdestotrotz musst du tausende, abertausendeKonzerte spielen, lernen, mit großen ebenso wie mit kleinen Bühnen zurechtzukommen. Das gilt bis heute.

Allzu viel scheint sich ja gar nicht verändert zu haben.
Man fängt immer noch aus denselben Gründen an, glaube ich. Nun ist das In­­ternet definitiv eine andere Wirklichkeit, und darüber läuft es heute eben, aber die Begeisterung muss bei jungen Künstlern im selben Maße da sein wie zu allen Zeiten. Deine Fähigkeiten, als Musiker, als Songschreiber, als Band, deine Einstellung, dein Glaube, deine Leidenschaft, das ist entscheidend. Charisma natürlich auch. Spielen Sie in einer Band?

Nein, tue ich nicht.
Wenn dir dabei die nötige Begeisterung fehlt, schaffst du es nicht, deine Kollegen mitzureißen. Gerade an den schlechten Tagen, an den üblen Orten ist das wichtig, um da durchzukommen…

…und letztendlich an die guten Orte zu kommen.
Absolut. Was mir allerdings bei vielen Kids auffällt, ist, dass sie, wenn nicht faul, so doch nicht bereit sind, wirklich alles zu geben. Leute im Business ha­­ben mir davon erzählt: Da kommt eine junge Band zum Label, ihnen wird der Tourplan vorgelegt, mit vielleicht 29 Gigs, dann sagen sie: „Was, 29 Konzerte? Das ist nicht der Grund, warum wir damit angefangen haben.“ Dabei ha­­ben wir damals bei den Dire Straits mit 229 Gigs losgelegt. Du muss das unbedingt wollen. Wenn du sie bekommst, dann möchtest du auch alle 200 Auftritte spielen, oder nicht? Du willst dir nicht Wimbledon anschauen! Nicht wenn du auf Tour bist. Gerade dann, wenn du es gern sehen würdest. Das kümmert nicht, nichts anderes ist wichtig. Die Leidenschaft macht den Unterschied, wenn dir die fehlt, dann wirst du aussortiert. Ganz einfach.

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